Siedlung

Vorgeschichte

Die Geschichte der Siedlung Löwental beginnt in den dreißiger Jahren. Die Einwohnerzahl Friedrichshafens stieg von 12000 Einwohner 1930 auf 15700 Einwohner 1935. Es herrschte Wohnungsnot, zusätzlich gab es auch in Friedrichshafen, wie in ganz Deutschland, eine hohe Arbeitslosenzahl. Um Beides zu bekämpfen, wurden Wohnungsbauprogramme gestartet.

Bautafel am Eingang der Siedlung, Ecke Edelweissweg/Lilienstrasse

Im März 1935 fanden sich auf Anregung der Reichsregierung Industrie, Gemeinden, Wohnungsbauunternehmen und Architekten zusammen, um Grundsätze für Zusammenarbeit und Finanzierungsmöglichen bindend festzulegen. Am Bodensee wurde eine Siedlungsgesellschaft mit Namen „Württembergische Bodenseesiedlung GmbH“ mit einem Stammkapital von 50000 Reichsmark gegründet. Gesellschafter waren die Stadt Friedrichshafen, Dornier-Metallbauten, Luftschiffbau Zeppelin, Bodanwerft Kressbronn und die Gemeinden Meckenbeuren, Schnetzenhausen, Ailingen, Kressbronn, Eriskirch, Ettenkirch, Berg und Oberteuringen. Als wichtigste Aufgabe wurde der Bau einer Siedlung im Einzugsgebiet von Friedrichshafen, auf dem Gebiet Trautenmühle zwischen Friedrichshafen und Ailingen, festgelegt – die Siedlung Löwental.

Es wurden mehrere Konzepte entwickelt – schlussendlich entschied sich Prof. Wetzel von der Techn. Hochschule in Stuttgart für das Projekt von den Architekten Reinhard Knall und Hermann Rueß.

Auszüge aus der damals veröffentlichten Beschreibung des Siedlungsprojektes:

„Es ist eines der Hauptmerkmale des zur Ausführung kommenden Projekts, dass die Siedlung selbst mit all ihren Verkehrswegen zusammen mit der nun ebenfalls in Angriff genommenen Stadtsiedlung von Prof. Schmitthenner und mit dem Zeppelindorf eine zusammenhängende Besiedlungsgruppe ergibt, die sich dem Gesamtorganismus der Stadt Friedrichshafen auf das beste einfügt. Die Aufgabe, die sich die Verfasser des Projekts hier im Besonderen gestellt hatten, und die letzten Endes auch ihrem Plan den Vorrang gab, ist in ihrer praktischen Ausführung ausgezeichnet gelungen.
Die Lage der Siedlung ist bestimmt durch die östliche Abgrenzung mit der Strasse Trautenmühle-Ailingen und durch die gegenüberliegende Begrenzung mit dem Achgebiet. Nördlich ergibt sich die Abgrenzung aus dem Wiggenhauser Wald.“

Interessanterweise sah man als Verbindung in die Altstadt für Autos die Ailingerstrasse vor, dagegen wurde für Fussgänger und Fahrradfahrer ein Grünstreifen über Schmitthennersiedlung und Riedlewald gesehen, der gleichzeitig auch die Verbindung ins Zeppelindorf (Einkaufsmöglichkeiten) darstellte. Hierfür wurde die Brücke über die Rotach gebaut, die wiederum die Achse zum Angerplatz bildete. Der Anger war schon in der Planung als Mittelpunkt der Siedlung angedacht.

Genau geplant war auch die Gestaltung der Siedlung. Gärten und Häuser wurden bereits damals in Hinsicht auf Sonneneinstrahlung angelegt. Jede Strasse zeigt ein eigenes Bild, welches aber immer durchgängig ist. Es wurde kein Siedlungsbild mit Reißbrettstrassen, sondern mit leicht gekrümmten Strassen gewählt.

Baubeginn

In Zeitungsanzeigen gab es zwischen zwei Häusertypen zu wählen. Die Grundstücke lagen in der Grössenordnung zwischen 600 und 800 qm. Die Kosten lagen bei 2 Reichsmark pro Quadratmeter und bei 10643 Reichsmark beim kleineren Typ (6,5 auf 9 Meter) und 11638 Reichsmark beim grösseren Typ (6,5 auf 10 Meter).

Um sich ein Bild machen zu können, was diese Beträge damals bedeuteten, sei darauf hingewiesen, dass der Stundenlohn zwischen 0,75 und 0,90 Reichsmark lag. Nicht nur die Kosten kamen auf die Siedler zu – jeder Siedlungswillige musste mit Verordnung vom 30.10.1935 sich und seine Ehefrau beim NS-Vertrauensarzt untersuchen lassen.

Am 6. September 1935 wurde bei einer Siedlerversammlung im kleinen Saal der Kronenbrauerei in Friedrichshafen die Auswahl der Bauplätze vorgenommen. Anfang Oktober wurde dann mitgeteilt, welcher Architekt welchen Bau betreut. Es konnten von den Siedlern noch Sonderwünsche eingebracht werden – darunter fielen zum Beispiel Badezimmereinrichtungen, Balkon, zweite Toilette, Parkettboden, Doppelfenster im oberen Stock, Sammelheizung, etc.. Die Ausschreibung der Bauarbeiten erfolgte am 8. Oktober 1935 und Anfang November 1935 begannen die Bauunternehmen mit der Aufstellung der Schnurgerüste. Im Gegensatz zu heute wurde nicht zuerst die Infrastruktur wie Straßen angelegt. Die Versorgung der Baustellen wurde durch eine Feldbahn sichergestellt, die das Baumaterial von der Ailingerstrasse via Loren auf Schienen andiente. Nahe der heutigen Bushaltestelle war ein zentraler Betonmischer stationiert. Die Kellerwände wurden nur nach Innen verschalt – aussen direkt an den Lehm betoniert. Dies bringt noch heute feuchte Kellerwände mit sich.

Im November 1935 war die erste Rate in Höhe von 150 Reichsmark fällig. Bis zum Wintereinbruch waren die Keller einschliesslich Kellerdecke erstellt. Da wie gesagt, die Infrastruktur noch fehlte wie z.B. auch die Kanalisation standen die Keller unter Wasser.
Im Februar 1936 wurde bekannt, dass die Siedlung an das Stromnetz angeschlossen wird.

Am 12. Mai 1936 wurde für den ersten Bauschnitt, der 51 Häuser umfasste, Richtfest gefeiert. Dort wurde bekannt gegeben, dass der Straßenbau für die Siedlung Löwental gesichert sei und in kurzer Zeit verwirklich sein dürfte.

Die ersten Siedler ziehen ein

Mitte des Jahres 1936 waren die Innenausbauten so weit fortgeschritten, dass die ersten Siedler in ihre Häuser einziehen konnten. Straßen gab es noch keine. Auch der Einzug, sprich der Möbeltransport, wurde mit den Loren der Feldbahn bewältigt. Viel Arbeit lag in den Gärten – teilweise war der Humus mit Letten bedeckt und der Boden oft von schlechter Qualität. Die Siedler des zweiten Bauabschnittes zogen im Frühjahr 1937, die des dritten Abschnittes Mitte des Jahres 1939 ein. Beim dritten Bauabschnitt kostete der qm übrigens schon 2,50 Reichsmark. Mit diesen drei Bauabschnitten bestand die Siedlung aus 119 Häusern und ca. 500 Bewohnern.

Lebensmittelgeschäft Zehrer


Endlich gab es auch Strassen – allerdings noch nicht geteert. Die Grundstücke wurden einheitlich mit Liguster und Holzgartentoren gegen die Strassen und Wege eingegrenzt. Allerdings gab es noch keine Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel oder sonstige Güter des täglichen Bedarfs. Teilweise kamen Händler aus der Stadt. Später eröffneten Am Anger die Familie Füssinger eine Bäckerei und Familie Zehrer ein Lebensmittelgeschäft. 

Die damaligen Strassennamen hatten Bezug zu den deutschen Siedlungsgebieten im Osten von Europa:

Ursprüngliche Strassenamen:Strassennamen nach dem Krieg:
Am AngerAm Anger
Egerland-WegEdelweißweg
Banat-StrasseEnzianweg
Siebenbürgen-StrasseAm Rosenhag
Baltikum-StrasseAm Holderbusch
Sathmar-StrasseFliederweg
Schwarzmeer-WegNelkenweg
Buchland-WegTulpenweg
Memelland-WegSchlehenweg

Der zweite Weltkrieg

Auch die Siedlung Löwental bekam die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs zu spüren. Da Friedrichshafen als wichtige Industriestadt galt, die Rüstungsprodukte herstellte, mussten die Häuser mit einem Tarnanstrich verstehen werden. Die Einwohnerzahl von Friedrichshafen stieg, da die Industrie Arbeitskräfte brauchte. Die Siedler bauten die Obergeschosse zu eigenen Wohnungen aus und schafften somit Wohnraum und gleichzeitig konnten die Mieteinnahmen helfen, die Schulden abzubezahlen.

Die baulichen Änderungen waren mit den unterschriebenen Verträgen nicht vereinbar und sorgten für Ärger mit der Wohn- und Siedlungsgemeinschaft „Neue Heimat“. Man einigte sich und legte fest, dass die Änderungen nach dem Krieg wieder rückgängig gemacht werden sollten. Zu dieser Zeit konnte sich noch niemand vorstellen, dass der Krieg verloren geht und man dann froh war an jeder Wohnung.

Durch die grossen Grundstücke konnten sich die Siedler selbst mit Lebensmitteln versorgen. Zusätzlich zu Gemüse- und Obstanpflanzungen wurden Hühner und Hasen gehalten. Die Ställe , die vom Stadtplanungsamt als störend angesehen wurden, verschwanden teilweise erst in der Zeit des Wirtschaftswunders.

Zerstörte Häuser vom 19. März im Am Rosenhag

Die Luftangriffe, die gegen Friedrichshafen geflogen wurden, sollten die Rüstungsbetriebe und den Flugplatz zerstören. Da die Löwentalsiedlung in unmittelbarer Nähe dieser militärischen Ziele lag, blieben Bombeneinschläge nicht aus. 1943 und 1944 wurden bei den Luftangriffen 13 Menschen getötet. Fast alle Häuser wurden beschädigt – von totaler Zerstörung durch Volltreffer bis zu leichten Schäden. Der heftigste Angriff war am 18. März 1944 um die Mittagsstunde. Die Angriffe zerstörten die Strom- und Wasserversorgung, sowie die Infrastruktur durch Bombentrichter. Das Bild vom 19. März 1944 zeigt zerstörte Häuser der Familien Sparn, Gutbrot und Kuhn Am Rosenhag.